Möbel und Kunstwerke „made in Rheine“
Großformatige Wandbilder mit Landschaften, Silhouetten von Städten und ganz viele Disney-Motive von jüngeren Bewohnern: Wohin man auch blickt, in der Zentralen Unterbringungseinrichtung für Asylbewerber in Rheine leuchtet es bunt.
Ein Bereich im Aufenthaltsraum ist wie in einem Museum mit einer kleinen Absperrung abgetrennt. Hier stehen Werke von Bewohnern, u.a. von Mojtabe Akbari Dehabadi. Man erkennt Gegenständliches wie einen stilisierten Tannenbaum, ein Vogelhaus, einen Kerzenständer, außerdem abstrakte Motive, die mit hunderten von Nägeln mit Fadenverbindungen filigrane geometrische Formen bilden. Die Phantasie des Schöpfers offenbart sich auf den ersten Blick, genauso das handwerkliche Geschick. Der 43-Jährige besaß in seiner Heimat Teheran eine eigene Schreinerei, wirtschaftlich ging es ihm gut. Doch sein Glaube wurde für den konvertierten Christen zunehmend zum Problem. „Der Islam, wie er im Iran propagiert wird, gründet sich vor allem auf Verboten. Eigentlich ist es kein richtiger Islam.“
Geheime Treffen mit anderen Christen rückten ihn bald in den Fokus der Geheimdienste. Tipps von Verwandten, die bei der Polizei arbeiten, warnten ihn rechtzeitig, sodass er einer Verhaftung zuvorkam und nach Spanien fliehen konnte. Dort lebte er zwei Jahre bei Freunden in Marbella, hatte aber keine Chance auf Asyl. Im März 2018 landete er schließlich in Deutschland und hofft nun, dass er als Flüchtling anerkannt wird: „Ich fühle mich hier sehr wohl, bin dankbar für die Aufnahme und hoffe, dass ich dauerhaft hierbleiben kann.“ Im März 2019 startet sein Integrationskurs. Eine offizielle Arbeitserlaubnis hat er noch nicht – doch Untätigkeit ist keine Option für ihn. Neben den Skulpturen und Bildern kreiert er Möbel für die von European Homecare (EHC) betriebene Einrichtung, in der er sechs Monate lang lebte: Stühle, einen Tisch für die Kinderspielstube, einen Tresen für den Informationsbereich. Auch ohne eigene Werkstatt zeigt sich der Handwerker erfinderisch: Der Tisch besteht aus Paletten, der Tresen ist aus alten Lattenrosten gezimmert. Dabei sehen die Stücke eher wie Designmöbel aus, kein bisschen provisorisch.
Inzwischen ist er bei einem befreundeten Arzt in Rheine untergebracht, kommt aber immer noch oft in die Gemeinschaftsunterkunft, um Freunde unter den Mitarbeitern und Bewohnern zu besuchen, die er hier kennengelernt hat. Zum Beispiel Siban Ahmad, die im Juni 2018 aus Syrien geflohen ist. Die studierte Innenarchitektin musste Aleppo, wo sie in einem Ingenieurbüro arbeitete, wegen des Krieges verlassen und ist seit Juni 2018 in Rheine. Sie hofft, dass sie bald auch hier arbeiten kann – bis sie die Erlaubnis bekommt, geht sie ihrem Hobby nach, der Malerei. Das Warten erträgt die stille junge Frau äußerlich gelassen, ist in Gedanken aber oft bei ihrer Familie, die in der Türkei ist. Die 29-Jährige redet nicht viel – aber die melancholische Note ihrer Bilder spricht für sich.
Einrichtungsleiter Sami Naoui und Wali Ehrary, Sozialbetreuer bei European Homecare, freuen sich über die Kreativität der Bewohner. Und darüber, dass sie ihnen sogar die Möglichkeit geben können, die Kunst der Öffentlichkeit zu präsentieren: „Im September haben wir beim Begegnungsfest der Stadt Rheine eine Ausstellung organisiert“, berichtet Wali. Die Werke entstanden im Atelier der Einrichtung, in dem Farben, Papier, Leinwände und Werkzeug zu Verfügung stehen. Unter der Obhut von Sozialpädagogin Lisa Prinz, verantwortlich für die Kinderbetreuung, kann auch der Nachwuchs seiner Phantasie freien Lauf lassen. Täglich kommen also neue Kunstwerke hinzu – die Kreativität ist noch lange nicht erschöpft.