Wäre es eine Ehe, würde jetzt der „hölzerne Hochzeitstag“ anstehen: Seit 5 Jahren betreibt European Homecare (EHC) die Gemeinschaftsunterkunft in Torgelow. Derzeit leben 150 Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturräumen hier. In vielen Einrichtungen werden die Menschen je nach ethnischem Hintergrund getrennt voneinander untergebracht – nicht so in Torgelow: „Bei uns gibt es keine Separierung“, so Sozialbetreuerin Maria Tews, „wir haben sogar eine türkisch-armenisch-tschetschenische WG.“ Insgesamt sind 19 Nationalitäten vertreten. „Viele leben seit mehreren Jahren hier. Das hat den Vorteil, dass die langjährigen Bewohner die neuen an die Hand nehmen und ihnen bei der Integration helfen können“, berichtet Nadine Graetsch, Leiterin der Einrichtung.

Die Bewohner leben überwiegend in „gutbürgerlichen Dreizimmerwohnungen“, wie sie Jörg Wojciechowski beschreibt, Regionalleiter von European Homecare für die Region Vorpommern/Greifswald. Er ist stolz darauf, wie gut die langjährige Zusammenarbeit funktioniert: „Dagmar Kaselitz, die Integrationsbeauftragte des Landes Mecklenburg-Vorpommern, bezeichnet Torgelow sogar als ‚Vorzeigeeinrichtung.‘“ Davon überzeugte sich sogar Ministerpräsidentin Manuela Schwesig selbst bei einem Besuch vor Ort. Auch Patrick Dahlemann, Mitglied des Landtages, Kreistages Vorpommern-Greifswald und der Stadtvertretung Torgelow, ist regelmäßig zu Gast und lobt die Integrationsarbeit, die Mitarbeiter und Freiwillige leisten.

An anderen Standorten läuft die langjährige Zusammenarbeit ebenfalls gut; European Homecare betreibt u.a. Einrichtungen in Greifswald und Wolgast. In einer Region, in der national-konservative Strömungen relativ stark sind, war das nicht immer einfach. Auch in Torgelow hat es Anfeindungen gegeben – die letzten Vorfälle liegen allerdings schon vier Jahre zurück. Graetsch: „Harald Rinkens und der von ihm gegründete Verein ‚Willkommenskultur Torgelow‘ leisten einen großen Beitrag: Mit dem ‚Café Komm‘ gibt es eine interkulturelle Begegnungsstätte. Viele Bürger engagieren sich, helfen z.B. bei der Arbeitsplatzsuche oder initiieren Freizeitangebote. Fast nebenbei sind viele Freundschaften entstanden.“

Die Gemeinschaftsunterkunft liegt im Torgelower Stadtteil Drögeheide in einer typischen Plattenbausiedlung, etwas abgelegen vom Ortskern. Was oft als „strukturschwach“ beschrieben wird, ist für viele Zuwanderer attraktiv. „Klar wollen manche in größere Städte. Aber viele ehemalige Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft zieht es nicht woandershin, sie bleiben Torgelow.“ Jahrzehntelang sank die Einwohnerzahl von Torgelow kontinuierlich. Vor allem die Jungen zog es weg, da es nicht genug Arbeitsplätze gab. Doch der allgemeine Aufschwung ist inzwischen hier angekommen, die Wirtschaft erholt sich und es entstehen neue Jobs – auch für Flüchtlinge. Das Spektrum ist breit: „Die Leute arbeiten zum Beispiel als Maurer, Restaurant- und Hotelfachleute, Maler, Möbelpolsterer, Textilreiniger, Zahntechniker, Arzthelfer oder Lageristen“, zählt Graetsch auf.

Einen wichtigen Beitrag zur Integration leistet der örtliche Fußballverein. Im „FC Vorwärts Drögeheide“ kicken Deutsche und Geflüchtete miteinander. 2016 gab es dafür den DFB-Integrationspreis: „Drei Kinder durften zur Preisverleihung mit nach Dortmund fahren“, erinnert sich Tews. Neben dem Fußballclub findet auch der Ringerverein in Torgelow dank der neuen Bewohner wieder mehr Zulauf. In der Einrichtung selbst stehen ein Musikraum, ein Make-Up- und Haarstudio sowie eine Fahrradwerkstatt zu Verfügung, die Fahrräder wieder auf Vordermann bringt.

Ein Ereignis ist allen Mitarbeitern in Erinnerung geblieben: Als 2016 ein kleiner Junge an Leukämie erkrankte und dringend einen Stammzellspende brauchte, mobilisierten die Betreuer von European Homecare und Freiwillige über 700 Menschen, die sich als mögliche Spender registrieren ließen. Für den kleinen Amir wurde leider kein passender Spender gefunden – doch dank der Registrierungen konnte drei anderen Krebspatienten geholfen werden. Das Engagement und die Hilfsbereitschaft der Menschen hier vor Ort ist enorm –  diese Erfahrung machen Graetsch und ihre Kollegen immer wieder.