Nachdem 2014 eine Bombe sein Haus und sein Restaurant zerstörte, floh Kamal Al Haboul mit seiner Familie aus Damaskus. Zunächst ging es nach Libyen, dann weiter nach Deutschland. In Essen fing er noch einmal neu an – statt gehobener syrischer Küche servierte er nun Falafel für 1,50 Euro, direkt vor der Uni in einer mobilen Imbissbude. Heute betreibt er nicht nur einen stationären Falafel-Imbiss in der nördlichen Innenstadt, sondern hat inzwischen auch ein „richtiges“ Restaurant eröffnet.

Der Weg bis hierhin war nicht immer leicht. Doch Al Haboul ist niemand, der sich von Rückschlägen entmutigen lässt. Er berichtet von seinem Zwischenstopp in Libyen: Hier versuchte er ebenfalls, in der Gastronomie Fuß zu fassen. Doch nachdem zwei Familienmitglieder entführt und erst nach Lösegeldzahlungen wieder freigelassen wurden, entschloss er sich, weiter Richtung Norden zu ziehen. Auf die Frage, was er am meisten an Deutschland schätzt, muss er nicht lange überlegen: „Die Sicherheit, die Ordnung und die Ehrlichkeit der Menschen.“ Hier sieht er die Zukunft für sich und seine Familie: „Wenn ein Stein einmal liegt, dann bleibt er auch dort. Hier ist Hoffnung, hier ist Heimat.“ In beruflicher Hinsicht schätzt er, dass es für Flüchtlinge wie ihn alle Möglichkeiten gibt: „Vorausgesetzt, man ist bereit, zu arbeiten und bleibt auf dem geraden Weg.“ Diese Maxime gibt er auch an die jüngeren Familienmitglieder weiter, die sich hier ihre eigene Zukunft aufbauen. Eine Nichte macht eine Ausbildung zur Sozialassistentin, zwei Neffen als Mechatroniker.

Doch zunächst wohnte die ganze Familie in einer von European Homecare (EHC) betriebenen Unterkunft für Asylbewerber in Essen. Hier gab es für die Bewohner keine Möglichkeit, zu kochen, Essen wurde von einem Caterer geliefert. Der Verfechter frischer Küche wurde selbst aktiv: Er richtete in seinem Zimmer eine ‚Vorratskammer‘ ein, legte Oliven ein und wollte sich und die Familie selbst versorgen. Doch das ging nicht lange gut; wegen des strengen Hygieneplans gab es Auseinandersetzungen mit der Einrichtungsleitung. Kurze Zeit später stand er mit seinem Falafel-Imbiss vor der Uni.

„Einen Imbiss zu eröffnen, war die einzige Möglichkeit für mich, selbst zu kochen“, erzählt Al Haboul mit einem Augenzwinkern. „Nachdem ich die erforderlichen Dokumente hatte – unter anderem das Gesundheitszeugnis und den Nachweis über die Hygieneschulung – und auch alle Kontrollen überstanden hatte, konnte ich auch die Einwände der Einrichtungsleitung besser verstehen.“

Lecker: Nur frische Zutaten kommen auf den Tisch

Lecker: Nur frische Zutaten kommen auf den Tisch

Der Imbiss „Abu Al Nour“ (benannt nach Al Habouls Spitznamen) ist mittlerweile in ein Ladengeschäft am Viehofer Platz gezogen. Im gleichen Häuserblock hat er eine weitere Gastronomie eröffnet, „Opas Haus Restaurant“. Hier gibt es mehr Sitzplätze, die Speisekarte bietet neben syrischen Teigtaschen und Fleischgerichten auch Pizza. In beiden Lokalitäten ist das Publikum bunt gemischt, Studenten, Familien, Deutsche, Syrer und alle anderen Freunde der arabischen Cross-Over-Küche lassen sich Falafel und Co. schmecken. Sind die Gäste anders als in Syrien? „Vielleicht nimmt man sich in Syrien etwas mehr Zeit zum Essen“, vermutet Al Haboul. Geschmackliche Vorlieben, die in Deutschland anders sind, sieht er allerdings nicht. Eine Studentin, sie schon am mobilen Stand zu den Stammgäste gehörte, ist überzeugt: „Bei Abu Al Nour schmeckt es einfach frischer und besser als in anderen Imbissen.“ Ihre Freundin ergänzt: „Ich esse sonst nie Falafel, nur hier!“

Syrische Küche wird in „Opa‘s Haus Restaurant“ serviert

Syrische Küche wird in „Opa‘s Haus Restaurant“ serviert

Falafel gelten im Nahen Osten ursprünglich als Arme-Leute-Essen. In Deutschland entwickelten sich die Kichererbsenbällchen zu einer beliebten Fast-Food-Alternative zu Pommes und Co. – vegan, gluten- und laktosefrei entsprechen sie außerdem den aktuellen Ernährungstrends. Sie gehören inzwischen zum Standard-Repertoire in orientalischen Restaurants. Für den Gastronomiebedarf können sie längst auch fertig vorfrittiert und tiefgekühlt bestellt werden. Al Haboul und seine Mitarbeiter dagegen kneten jeden Morgen frischen Falafelteig nach dem Familienrezept, auch die Majo mit leichter Knoblauchnote wird selbst gemacht, ebenso die Essigmischung für das eingelegte Gemüse . Die Testberichte auf Facebook und Trip Advisor sind sich einig: „Die besten Falafel, die ich je gegessen habe!“, „Ich habe noch nie besseres Schawarma gegessen, richtig richtig gut!!!!“, „Ausgezeichnete, stabile Qualität zum kleinen Preis“. Al Haboul freut sich über die positive Resonanz, wirklich überrascht ist er jedoch nicht. Sein „Geheimnis“ besteht aus zwei einfachen Zutaten: „Ich verkaufe viel mit kleinem Gewinn. Und ich glaube daran, dass man Gutes zurückbekommt, wenn man selbst eine gute Absicht hat. Ich mache einfach gutes Essen für glückliche Menschen.“